Servus Robert, die Herbstsaison ist praktisch vorbei, also können wir eine erste Bilanz ziehen. Davor aber zu einem aktuellen, für uns historischen Thema, dem Aufstieg im ÖFB-Cup gegen die Wiener Austria. Ein Highlight deiner bisherigen Trainerkarriere?
Ich würde zwar den Aufstieg mit Amstetten in die 2. Liga vorziehen, denn da ging es darum, eine ganze Saison zu performen. Aber auf ein Spiel heruntergebrochen war es sicher ein absolutes Highlight, verbunden mit einer unglaublichen Mannschaftsleistung.
Wie stolz bist du als Trainer darauf, dass du den Wiener Sport-Club nach über 30 Jahren wieder in ein Cup-Viertelfinale geführt hast?
Es geht hier nicht um mich, ich bin nur ein Teil davon. Wir haben alle gemeinsam, unsere vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter, unsere Funktionäre, unsere Fans, unser Trainerteam und vor allem unsere Mannschaft an diesem 20. Oktober eine überragende Leistung geboten. Man hat von allen Seiten eine super Energie gespürt, welche die Mannschaft zu diesem verdienten Sieg getragen hat.
Die Mannschaft hat sehr gut verteidigt, von vielen Seiten dafür großes Lob bekommen und in beiden Spielen sowohl gegen Lustenau als auch gegen die Wiener Austria kaum Chancen zugelassen. Hat dich das selbst überrascht?
Wir setzen im Training immer wieder Reize wie Gegenpressing, Druck auf den ballführenden Spieler ausüben, Verhalten beim Anlaufen, etc… und zeigen den Jungs auch visuell sehr viele Szenen über ihr taktisches Verhalten. Insofern war uns klar, dass sie wissen, worum es geht, dass sie es nur abrufen müssen, im Spiel dann die richtigen Entscheidungen treffen und vor allem, dass jeder Spieler für jeden anderen die nötigen Meter gegen den Ball macht. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, mit welchem Spirit und welcher Energie die Jungs in diesen Spielen verteidigt haben.
Erkennbar war auch, dass die Mannschaft in beiden Partien konditionell gegen Vollprofis nicht zurückgefallen ist, ganz im Gegenteil. Wie erklärst du dir das?
Ein Spiel besteht immer aus gewissen Dynamiken. In beiden Spielen gab es Situationen zu unseren Gunsten, welche uns richtig viel Energie gegeben haben: Gegen Lustenau der verschossene Elfmeter unmittelbar nach der Pause und gegen die Austria nach rund einer Stunde der Führungstreffer. Danach wurden wir mehr oder weniger durch den Glauben, dass wir sind der Sensation sehr nahe sind, über den Platz getragen. Aber ein Vorteil ist sicher, dass wir im Trainerteam die Jungs schon lange kennen und somit in der Trainingssteuerung genau wissen, wann, wie und wo wir konditionell ansetzen müssen.
Was erwartest du dir nun in der nächsten Runde gegen die SV Ried?
Wir müssen demütig bleiben und dürfen jetzt nicht glauben, dass ein Cupspiel gegen einen Bundesligisten zum Selbstläufer wird. Ried wird uns bestimmt nicht unterschätzen und sich gut auf uns vorbereiten. Wir brauchen wieder ein volles Stadion und eine überragende Mannschaftsleistung, dann traue ich uns auch das Halbfinale zu.
Kommen wir zur Meisterschaft: Vor der Saison hast du gesagt: Wir wollen den dritten Platz aus dem letzten Jahr bestätigen – das ist nicht ganz gelungen. Woran ist das gelegen?
Wir waren leider nicht konstant genug. Irgendwie eine komische Herbstsaison, denn nach fünf Runden hatten wir zwölf Punkte, konnten allerdings zu Beginn spielerisch nicht so überzeugen, wie wir uns das vorgestellt haben. Nach dem Spiel gegen Siegendorf sind wir in allen Partien großteils sehr dominant aufgetreten, hatten viel mehr Ballbesitzphasen als der Gegner, waren aber leider in beide Richtungen nicht konsequent genug. Wenn ich nur die Begegnungen in Krems, Draßburg oder zuletzt Scheiblingkirchen hernehme, so ist es uns trotz klarer Dominanz und Torchancen nicht gelungen, die Spiele zu entscheiden oder zu null zu spielen. Das ist extrem ärgerlich, und genau diese Punkte fehlen uns in der Endabrechnung. Da gibt es dann eben Mannschaften vor uns, die im Vergleich zu uns sicher nicht die spielerischen Qualitäten auf den Platz bringen, aber eben in Summe konsequenter sind.
Es wurde Platz 5 mit 25 Punkte nach Ende der Hinrunde. Wie zufrieden bist du mit den Punkteschnitt?
Man muss zur Kenntnis nehmen, dass Stripfing, TWL Elektra und phasenweise auch Mauerwerk sich in einen richtigen Rausch gespielt haben und über weite Strecken konstant waren. Das ist uns leider nur zwischen der zweiten und fünften Runde gelungen. Mein Ziel ist immer mindestens ein 2er-Punkteschnitt, den haben wir leider klar verfehlt. Insofern können wir mit der Punkteausbeute nicht zufrieden sein und müssen alles daransetzen, um dies im Frühjahr wieder gut zu machen.
Wie ist es aus deiner Sicht möglich, dass unsere Mannschaft – im Vergleich zu dem einen oder anderen Meisterschaftsspiel – gegen Bundesligisten wie Lustenau oder Austria Wien derart gut performt? Ist das eine Frage der Mentalität?
Grundsätzlich bereiten wir uns auf ein Regionalligaspiel nicht viel anders vor als auf ein Cupspiel gegen einen Bundesligisten. Zum Teil ist es sicher auch ein wenig Kopfsache, denn wir haben diese Probleme schon länger, haben auch in der letzten Saison viele Punkte gegen Teams aus den unteren Tabellenregionen liegen lassen. Aber nur das Thema „Mentalität“ anzusprechen ist in dieser Frage sicher zu wenig.
Also wo ortest du das Hauptproblem?
In dieser Frage müssen wir ins taktische Detail gehen. Im Vergleich zu den Cupspielen stehen unsere Gegner in der Ostliga zumeist tiefer und machen die Räume vor dem eigenen Tor extrem eng. Es gelingt nicht immer, einfache Lösungen auf engem Raum zu finden und erfordert viel Geduld. Es muss uns aber schon auch klar sein, dass unser Ansatz, wie wir in der Liga unsere Spielausrichtung gestalten wollen, die komplexeste und aufwendigste ist. Klar denke ich mir oftmals nach Niederlagen: „Hätten wir das Risiko minimiert und den Ball einfach nur hoch und weit nach vorne geschossen oder selbst auf Konter gespielt“. Doch das ist nicht unser Denkmuster von dem Fußball, für das wir stehen. Auch wenn ich ab und zu dafür kritisiert werde, von unserem Ballbesitzspiel weiche ich nicht ab, auch weil wir unseren Kader nach diesem Spielstil ausgerichtet haben. Im Cup gegen Bundesligisten als Außenseiter, wo wir im Vergleich zu den Spielen in der Liga auch andere Räume zum Bespielen bekommen, wählen wir dann die mehr oder weniger „einfachste“ Spielausrichtung. Wir suchen nach Balleroberung den direktesten Weg zum Tor, welchen die Jungs sowohl gegen Lustenau als auch gegen die Austria mit einer unglaublichen Qualität und Effektivität genutzt haben. Wichtig ist, dass wir die Gewissheit haben, in beiden Spielausrichtungen unsere Stärken zu haben und diese auch ausspielen zu können.
Wer dich kennt, weiß, dass deine Ziele hochgesteckt sind/bleiben. Wird sich etwas auf dem Transfermarkt tun?
Darüber werden wir uns nach dem letzten Spiel gegen Stripfing austauschen. Unser Ziel muss sein, die Mannschaft etwas zu verjüngen, darauf werden wir in der kommenden Transferperiode auch achten.
Unter den fünf Hauptkonkurrenten, die du noch vor der Saison angeführt hast, waren auch Leobendorf und Traiskirchen. Beide sind die Enttäuschung schlechthin, eine Ewigkeit hinter Stripfing; ist das Experiment „Das Beste aus zwei Welten“ samt arriviertem Trainer in Traiskirchen gescheitert?
Die Rolle von Stripfing muss man anerkennen, sie haben ein Budget und einen Kader, mit welchem sie auch in der zweiten Liga in der oberen Tabellenhälfte mitspielen würden. Es ist nicht meine Aufgabe, über andere Experimente ein Urteil abzugeben. Faktum ist, dass wir mit unserer bisherigen Saison in der Liga im Vergleich zu den letzten Jahren nur bedingt zufrieden sein können. Da brauchen wir nicht nach Traiskirchen, Leobendorf oder sonst wohin schauen, sondern müssen uns an der eigenen Nase nehmen.
Verfolgst du auch den Weg von Rene Kriwak, der uns letzten Winter nach einer überragenden Herbstsaison in Richtung Rapid verlassen hat und heute in Hartberg spielt?
Ja klar, wenn uns Rene bei Heimspielen besuchen kommt, nehmen wir uns nach dem Spiel oftmals Zeit, um miteinander zu plaudern und sind auch regelmäßig im WhatsApp-Austausch. Ich sage immer wieder zu ihm: „Lerne und genieße“, denn vor einem Jahr hat er noch in der Ostliga eingenetzt, heute spielt er wie letzte Woche gegen Rapid vor 14.000 Zusehern in den größten Stadien Österreichs. Ich freue mich sehr für ihn, dass er sich in Hartberg nun wohl fühlt und bin mir sicher, dass er auch in der Bundesliga seinen Weg machen wird.
Die WM in Katar naht. Wirst du TV-Dauergast sein oder protestierst du indirekt gegen den Austragungsort, wo man Stadien herunterkühlt, während sich in Europa viele das Heizen nicht leisten können?
Der Austragungsort gibt mir schon sehr zu denken und auch eine WM in der Vorweihnachtszeit ist sehr gewöhnungsbedürftig, dennoch werde ich mir viele Spiele ansehen und dabei lernen. Denn bei jedem Großereignis, egal ob WM oder EM, zeigen sich neue taktische Aspekte.
Bist du ein Workaholic? – Was machst du in der Winterpause?
Ja, ich würde mich schon als Workaholic bezeichnen und gönne mir nur selten eine Pause. Im Grunde genommen lebe ich diesen Job 24 Stunden an sieben Tagen die Woche. Nach dem letzten Spiel werde ich die zweiwöchige Trainingspause auch mal zum Abschalten nützen, denn im Prinzip arbeiten wir seit Anfang Jänner auf Hochtouren. Ab Ende November haben wir dann noch zwei Wochen Training, wo es schon darum gehen wird, die konditionelle Grundlage für das Frühjahr aufzubauen. Rund um Weihnachten und Silvester dreht sich dann bei mir schon vieles um die Planung der Trainingsinhalte für die Vorbereitung, ehe es dann am 9. Jänner wieder losgeht.
Zum Schluss nochmal ein Ausblick: Das Erreichen des ÖFB Cup-Viertelfinales ist sicherlich das Hernalser Highlight seit sehr langer Zeit. Wie wirkt sich das auf die Saisonplanung aus?
Es wird sicher eine kleine Challenge werden, denn wir müssen 3 Wochen früher „am Punkt“ und somit matchfit sein als in einer normalen Vorbereitung. Da verschieben sich natürlich die Trainingsinhalte, vor allem, was die konditionellen Aspekte betrifft. Aber wir werden auch das hinbekommen und Anfang Februar top vorbereitet in das Spiel gegen Ried gehen.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für diese schweren Aufgaben!
Interview: Friedrich Schweinhammer
Foto: Gerhard Breitschopf